13 von 38 Clubs aus der 1. und 2. Fußball Bundesliga drohte im Juni 2020, nach grade mal drei Monaten Lockdown, schon die Insolvenz. In Folge waren die Medien voll von Schlagzeilen, die dem deutschen Sport eine Revolution attestierten und das Geschäftsmodell Bundesliga in Frage stellten. Allmählich kehren die Fans wieder in die Stadien zurück. Ich frage mich, was aus den einst so lauten Stimmen geworden ist, die Financial Fairplay, Draft-Systeme und Salary Caps voraussahen? In diesem Beitrag gehe ich genauer darauf ein, warum Salary Caps (= Gehaltsobergrenzen) genau jetzt das Richtige für den Fußball wären und diskutiere Vor- und Nachteile und mögliche Ausgestaltungsformen.
Übersicht
Finanzielles Ungleichgewicht nimmt zu
Zu Beginn der Pandemie mussten viele Fußballclubs von ihren hohen Rössern hinabsteigen. Sie mussten anerkennen, dass sie wegen ausbleibender Einnahmen in ernstzunehmende finanzielle Schieflagen geraten können. Lange nicht alle Clubs waren davon betroffen. Regelmäßige Champions-League-Teilnehmer und Titel-Favoriten klagten zwar ebenfalls, nahmen dabei jedoch nicht das Wort Insolvenz in den Mund. Was den Clubs trotz fehlender Zuschauer blieb, waren vor allem Einnahmen aus Vermarktung und TV-Rechten. Diese wurden in den meisten Fällen vor Beginn der Pandemie mit Sponsoren und Sendern verhandelt und standen den Clubs als sichere Einnahme in der Corona-Saison zur Verfügung.
Es liegt auf der Hand, dass die genannten Einnahmequellen z.B. zwischen dem FC Bayern und Arminia Bielefeld weitaus deutlicher auseinandergehen, als die Ticketpreise der beiden Bundesligisten. Corona und die daraus resultierenden veränderten Einnahmequellen tragen somit ein Stück dazu bei, dass die Differenz zwischen finanzstarken und finanzschwachen Clubs zunimmt. Das verstärkt die in Deutschland ohnehin schon vorherrschende Monotonie im Kampf um die Meisterschaft und nimmt dem Produkt Fußball ein Stück seines zentralen USP. Die Ergebnisoffenheit des sportlichen Wettkampfes.
Sind Salary Caps die Lösung?
1,4 Milliarden Euro geben die Clubs der 1. Fußball Bundesliga aktuell für ihr kickendes Personal aus. Davon werden übrigens rund 250 Mio. in München ausgezahlt. Die Bundesliga liegt damit noch deutlich hinter anderen europäischen Top-Ligen.
Die Spieler, die eigentlich als nahbare Identifikationsfiguren fungieren sollen, sind zu jungen Millionären geworden, die nicht viel mit den Farben zu tun haben, in denen sie spielen. Clubs sind austauschbar, oft nach wenigen Saisons. Ihren Reichtum zeigen sie den Fans nicht nur bei Instagram mit vergoldeten Steaks und teuren Autos, sondern auch durch ihre aberwitzigen Gehälter, die immer häufiger durch die Presse gehen. Ein positives Zeichen für die treuen Fans, die privat im besten Fall mit einem blauen Auge durch die Pandemie gekommen sind, ihr Erspartes in eine Dauerkarte investieren sollen und im Stadion für eine, für die Sponsoren wichtige, emotionale Stimmung sorgen sollen? Wohl kaum. Ein mögliches Mittel, um dem entgegenzuwirken sind Salary Caps.
Pro Salary Caps
Wenn den Clubs die Möglichkeit genommen wird, sportlich erfolgreiche Spieler durch hohe Gehälter in den Club zu locken, wird sich automatisch eine größere sportliche Chancengleichheit zwischen den Teams ergeben. Das könnte zur Folge haben, dass sich eine stärkere Varianz im Titelrennen ergibt, weil sich die guten Spieler auf viele Vereine verteilen anstatt sich in wenigen Vereinen zu bündeln.
Zusätzlich würden die Clubs mehr in der Pflicht stehen, Spieler mit anderen Annehmlichkeiten als dem Gehalt an sich zu binden. Das könnte sich z.B. durch eine verstärkte Förderung dualer Karrieren äußern. Auch ein attraktiver Wohnort könnte für Spieler zunehmend wichtiger werden. An dieser Stelle schöne Grüße nach Wolfsburg und Hoffenheim…
Thema Wohnort: Vielleicht hätten Salary Caps sogar zur Folge, dass Spieler vermehrt in ihren Heimatstädten bleiben, anstatt zum mehr bietenden Club zu wechseln. Die Fans könnten endlich wieder Lokalmatadore aus der eigenen Jugend bejubeln, die vielleicht nur ein paar Straßen weiter aufgewachsen sind und sich mit Stadt und Club stärker identifizieren. Ein Traum für jeden Fußball-Romantiker.
Nicht zuletzt sind die Spieler-Gehälter der größte laufende Posten für die Clubs. Durch Salary Caps würden sie ihre Ausgaben reduzieren, müssten sich weniger abhängig von Investoren machen und könnten wirtschaftlich stabiler agieren.
Contra Salary Caps
Spricht eigentlich auch irgendetwas gegen Gehaltsobergrenzen? Leider ja, nämlich die Umsetzbarkeit. Auf rechtlicher Ebene sorgt das Gedankenexperiment nämlich für viel Unmut. Logisch ist, dass das Wirtschaftssystem Fußball schon lange kein nationales, sondern ein internationales ist. Sollte in Deutschland z.B. durch einen Tarifvertrag festgelegt werden, was Fußballer maximal verdienen dürfen, gehen diese kurzerhand ins Ausland und kicken dort für mehr Geld.
Um sich nicht selbst aus der Konkurrenz zu schießen, darf die Bundesliga diesen Schritt nicht alleine gehen und muss auf eine mindestens europaweite Vereinheitlichung setzen. Bundesübergreifende Tarifverträge existieren schlichtweg noch nicht, was die Umsetzung auf rechtlicher Ebene nicht unerheblich verkompliziert. Die arbeitsrechtlichen Grundlagen in den verschiedenen EU-Staaten sind noch zu verschieden, um so ein Projekt „mal eben“ durchzudrücken.
Modelle für Salary Caps
Es existieren verschiedene Ausgestaltungsformen von Salary Caps. Ein möglicher Differenzierungsgrad ist die Unterscheidung zwischen spielerbezogenen und mannschaftsbezogenen Caps. Bei den spielerbezogenen Obergrenzen wird jeder Spieler und damit auch jedes Gehalt einzeln betrachtet. Damit würde jeder Spieler der Liga das gleiche Gehalt bekommen, was sicherlich als die krasseste Veränderung zu bewerten wäre. Dem gegenüber stehen die mannschaftsbezogenen Obergrenzen, die den Sportdirektoren beim Shoppen auf dem Transfermarkt gewisse Spielräume lassen. Das Gehalt des einzelnen Spielers ist in diesem Modell nicht ausschlaggebend. Wenn ein besonders teurer Spieler in einem Verein spielen soll, geschieht dies im wahrsten Sinne auf Kosten seiner Mitspieler, die in Konsequenz weniger verdienen müssen.
Eine andere Herangehensweise ist die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Caps. Bei den absoluten Obergrenzen agiert man mit festen Beträgen, die die Spieler (oder Mannschaften) verdienen können. Bei diesem Modell ergibt sich die Frage, was wirtschaftlich sehr starke Clubs mit dem vielen freigewordenen Kapital tun können. Eine Investition in die eigene Nachwuchsarbeit etwa? Jetzt wird´s doch fast schon wieder romantisch…
Die relativen Caps hingegen können sich z.B. am Gesamtumsatz des Clubs orientieren. Ein Spieler könnte somit maximal einen definierten Prozentsatz des Jahresumsatzes eines Clubs verdienen. Diese sehr liberale Form der Salary Caps steht jedoch nicht mehr wirklich für Chancengleichheit zwischen den Vereinen, weil die finanzstarken Clubs höhere Gehälter bezahlen dürfen, als die kleinen. Sie sorgt aber trotzdem dafür, dass die Vereine ihren Spielern keine Gehälter bezahlen, die über ihren finanziellen Möglichkeiten liegen. Das dürfte wiederum für mehr wirtschaftliche Stabilität sorgen. Als Kompromiss oder erster Schritt zum „richtigen“ Salary Cap wohl kein ganz verkehrter Ansatz.
Missachtung der Salary Caps
Bei möglichen Strafen, denen sich die Vereine bei Missachtung der Obergrenzen stellen müssten, geben die USA kreative Ansätze vor. Mit dabei sind Maßnahmen wie der Wegfall von Lohnansprüchen der Spieler, Punktabzüge in der Liga oder den kompletten Ausschluss von sportlichen Wettkämpfen oder Turnieren.
Besonders schön: die Luxus-Steuer. Für jeden Dollar, den die Clubs zu viel an Spieler bezahlen, müssen sie einen Straf-Betrag in einen Solidar-Topf einbezahlen, der unter den Clubs, die sich an die Caps gehalten haben, aufgeteilt wird. Man schießt sich also ganz bewusst selbst ins Bein und tut seinen direkten Konkurrenten einen Gefallen. Das tut doppelt weh.
Ausweitung auf andere Bereiche?
Neben den exorbitanten Spielergehältern sind vor allem auch die Ablösesummen im Fußball drastisch in die Höhe geschossen. Die Diskussion über die Spielergehälter lässt sich ebenso gut auf diesen Aspekt ausweiten, was sicherlich auch Auswirkungen auf das eine oder andere Berater-Gehalt hätte. Ihr merkt: der Rattenschwanz ist lang.
Was bleibt? Ein paar warme Gedanken für Fußball-Romantiker, für die so manches Argument Musik im Ohr sein dürfte. Dagegen stehen jedoch millionenschwere Top-Clubs mit einer immens einflussreichen Lobby. Ob der Fußball damit durchkommen wird, sein Wachstum nach Corona so weiterzuführen wie vor der Pandemie, bleibt abzuwarten. Fest steht jedenfalls, dass die Saison vor leeren Rängen bei vielen Fans zu einem Umdenken geführt hat.
Vielleicht kehren sie den reichen Top-Clubs in Zukunft den Rücken, vielleicht entdecken sie ihre Begeisterung für andere Sportarten. Vielleicht sind die Fans aber auch einfach nicht so nachtragend und sensibel und nehmen weiter hin, überbezahlten Multimillionären zuzujubeln. Salary Caps sind sicherlich eine von vielen Möglichkeiten, diesem für viele Fans negativen Prozess entgegenzusteuern.